FrauenLeben/Im Blickpunkt Brigitte Pachler („Wilde Hexe“)

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Mit den wilden Kräutern, Beeren, Pflanzen und Pilzen aus dem Wald hat Brigitte Pachler wieder Lebensmut und Lebensqualität gefunden. Mit den wilden Kräutern, Beeren, Pflanzen und Pilzen aus dem Wald hat Brigitte Pachler wieder Lebensmut und Lebensqualität gefunden.

„Das Leben ist kein Wunschkonzert!“ So lautet ein Spruch. Aber Sprüche sind eben nur Sprüche. Man kann das Leben auch „durchleben“. Mit der Seele, mit den Sinnen und mit vollem Herzen. Nicht nur wie der Hamster im Hamsterrad, auf der Suche nach Geld, den besten merkantilen Kontakten und den üblichen Wangenbussis bei den VIP`s. Brigitte Pachler hat als hübsches Bauern-Dirndl aus der Südoststeiermark die „Kaderschmiede aller touristischen Vernetzungen“ in Bad Gleichenberg absolviert. Bäuerliche Gerichte, die heute begehrte Spezialitäten sind, waren immer dabei. Bei all den Reisen sowieso mit Rucksack: Kürbiskernöl, steirischer Wein und Bauernbrot. Der Gastro-Aufenthalt in Colorado war fürs Leben prägend. Irgendwann hat sie das Heimweh nahezu „erschlagen“. Zurück in die Steiermark und alles machen und noch mehr. Dann der tiefe Fall in die unglaubliche Erschöpfung. Schlafen oder gleich Sterben... Nur einfach weg und aus. Burnout im hohen Stadium war die medizinische Diagnose. Im Südburgenland fand Brigitte Pachler ihre Auszeit. Körper und Seele begannen wieder zu starten. Speziell aber nach täglich stundenlangem Verbleib im Wald. „Waldbaden“ könnte man es nennen. Die Wahrnehmung der Sinne konzentriert auf den Duft des Waldes mit all den Hölzern, dem Moos, dem Laub, den Beeren, Gräsern und Pilzen. Brigitte Pachler lebte auf. Und schon entwickelte die flexible Kräuterhexe mit all den gesammelten Kräutern ihre Produktserie „Wilde Hexe“. Und es wäre nicht der Herzensmensch Brigitte Pachler, wenn sie nicht mit ihrem Lebenswillen auch anderen Menschen helfen wollte.

In der Hektik der Tage wird die Natur vergessen. Brigitte Pachler führt Menschen dorthin.
In jedem einzelnen Kraut und jeder Pflanze des  Waldes ist die Kraft des Überlebens.

von Brigitte Pachler
Schon als sehr junges Mädchen wusste ich, dass ich das Steirische Vulkanland für eine längere Zeit verlassen würde, um mir auch andere Kirchtürme ansehen zu können. Ich bekam am Dreifaltigkeitssonntag einen Ferngucker, der mich innerlich bis heute begleitet.
Als Zweitgeborene von sechs Kin­­dern übernahm ich schon sehr früh eine Führungsrolle. Aufgewachsen auf einem Bauernhof durf­te ich bald lernen, was es heißt, sich durchzusetzen und in einer Gemeinschaft für andere verantwortlich zu sein. Ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und ein hohes Maß an Kreativität haben mir dabei geholfen, dass ich es auch bei meinen Brüdern geschafft habe, einen Haushaltsplan aufzustellen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es mir damals an etwas gefehlt hätte. Wir hatten genug anzuziehen, ein Dach über dem Kopf und ausreichend gut und gesund zu essen. Das Kulinarische hat mich sehr geprägt. So habe ich mitbekommen, dass meine Großeltern und Eltern aus allen gesund gewachsenen Produkten etwas Köstliches herstellten. Es gab nichts das verschwendet wurde, so wie ich es in der heutigen Zeit beobachte. So wurden früher die reifen Produkte zur Jahreszeit verspeist und es blieb kein Obst im Garten liegen, während wir heute auch in der Erntezeit die Äpfel im Supermarkt kaufen.
Mein Weg führte mich nach der Pflichtschule in die Hotelfachschule Bad Gleichenberg. Mein Opa beschloss, dass ich diese Ausbildung einer Schneiderlehre vorziehen sollte. Dankbar bin ich heute noch dafür. Nach dem Abschluss der Gastgewerbefachschule waren Wan­derjahre im In- und Ausland angesagt. Ich genoss das Skifahren am Arlberg und die Sommersaison an den unterschiedlichen Schweizer Seen. So konnte ich Erfahrungen in Service, Küche und Rezeption sammeln.
Schon meine erste Saisonstelle in Bad Gastein verhalf mir in eine Führungsposition. Die Liebe zum Wein, gutem Essen und fremde Kulturen öffneten mir neue Wege - und auch meinen Horizont. Das Reisen ist für mich eine Lebensart geworden. Gelernte Sprachen und neue Eindrücke konnte ich stets in die Südoststeiermark mitnehmen. Bei jedem Auslandsaufenthalt hatte ich meinen steirischen Wein, das Kernöl und einen Laib Bauernbrot im Gepäck. Im Gegenzug brachte ich Köstlichkeiten aus der Ferne mit nach Hause. Mich faszinierte die Herstellung der köstlichen Produkte und schon früh erfragte ich die Herkunft und Zusammensetzung. Später war die Pro­duktbeschaffung in der Gastronomie mein Thema. Hierzu habe ich versucht entgegen der großen Konzerne regional und saisonal aus nachhaltiger Produktion einzukaufen. Dafür hatte ich ein gutes Händchen. Schon bald sprach sich dies herum und die Restaurantplätze verkauften sich von selbst. In diesen Situationen habe ich erstmals bemerkt, wie wohltuend es ist, wenn ich meine Talente und Stärken damit verbinde, um meinem Herzen zu folgen. Jedenfalls sollte ich von diesem Weg wieder abkommen.
Als ich die Gelegenheit bekam, mit 32 Jahren ein Auslandsvisum für die USA zu erhalten, um ein F&B Trainie (Food & Beverage = Produktbeschaffung und Verwaltung in der Gastro) zu absolvieren habe ich mit meiner Weinfreundin sofort zugesagt und diese Chance ergriffen in einem Leading Hotel of the World in Vail, Colorado, zu arbeiten. Unser Job war es, steirische Spitzenweine in den unterschied­lichen Restaurants einzuführen und salonfähig zu machen. Es machte Spass und der Erfolg gab uns recht, denn noch heute werden diese Weine dort angeboten. Nach sechs Monaten habe ich den Weg nach Hause gesucht, da mich ein heftiges Heimweh überkam. Obwohl täglich die Sonne schien, ich mir ein soziales Netzwerk aufgebaut hatte, so fehlte mir der steirische Boden. Meine Freundin ist heute noch in den Staaten und hat sich mit ihrem Mann ein Restaurant in Colorado - zwischen Vail und Beavercreek - aufgebaut.

Im dem Korb voll duftender Waldpflanzen ist die Basis für das Produkt „Wilde Hexe“.
Mit diesen herrlichen Wald-Pflanzen kann man wunderbare Pasta oder Risotto gestalten.

Wieder in der Südoststeiermark angekommen, wurde ich beruflich in Gamlitz fündig. Als Restaurantleitung sollte ich ein Haubenrestaurant führen. Als die Chefin mir an meinem 4. Arbeitstag mitteilte, dass sie sich neu orientieren möchte, übernahm ich auch die Führung des Hotelbetriebes. Besonders freute mich, dass ich mich kreativ austoben konnte.
Es dauerte nicht lange, da bemerkte ich unbekannte Erschöpfungserscheinungen. Erst ein Jahr darauf beschenkte ich mich an meinem Geburtstag mit einem Krankenstand. Anpassungsstörung (Burnout) war die Diagnose. Ich suchte eine Auszeit im Südburgenland, wo ich erstmal meine Tochter gut versorgt wusste und ich mich tagelang einmal ausgeschlafen hatte. Nach ca. 14 Tagen Ruhe hat es mich jeden Tag in die Natur gezogen und ich habe stundenlang in Wäldern und auf Wiesen verbracht und Kontakt mit der Erde aufgenommen. Dabei habe ich wahrgenommen, wie die wild gewachsenen Pflanzen mit mir kommuniziert haben, als ob sie mir sagen wollten „Nimm mich mit“. Das habe ich auch gemacht und zuhause begonnen, mit den wilden Kräutern, Pasten herzustellen und auch Beeren, Pilze, Wurzeln und alles wild Gewachsene in meinen täglichen Speiseplan einzubauen. Auf einmal kannte ich Namen von wilden Pflanzen, obwohl ich in Biologie nie aufgepasst hatte. Es zog mich zu Kräuterwiesen und an schwammerlreiche Plätze. Langsam habe ich wieder Kraft und Energie bekommen. Ich folgte dem Ruf meiner inneren Stimme und schön langsam kehrte wieder meine Zufriedenheit ein. Jedoch habe ich mich seit dem verändert und nehme viele Dinge bewusster wahr. Menschen, die Ressourcen ausnutzen, interessieren mich nicht mehr.


Als ich nach knapp 18 Monaten wieder im Hotel eisetzbar war, habe ich aus den wild gewachsenen Pflanzen eine Serie mit mehr als 40 unterschiedlichen Produkten hergestellt und die wilden Pflanzen salonfähig im Restaurant gemacht. Die Produktlinie „Wilde Hexe“ war geboren. Durch meine Geschichte lernte ich mich selbst erst kennen und wertschätzen. Diese Persönlichkeitsentwicklung brachte mich dazu, die Ausbildung zur Kräuterpädagogin und zusätzlich zur diplomierten Lebens- und Sozialberaterin, mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung zu absolvieren. Ich habe meine Leidenszeit ohne Medikamente überwunden. So wollte vor allem ich mir und anderen Frauen helfen, dass sie sich wieder spüren lernen, auf sich hören und auch mal „Nein sagen” können. Heute verbinde ich beides. In jedem Betrieb war mir die achtsame Mitarbeiterführung wichtig. Besonders am Herzen lagen mir die sozial schwachen Lehrlinge sowie die Wiedereinsteigerinnen nach der wertvollen Mamazeit. Vom Hirn ins Herz habe ich diesen Menschen Entwicklungs- und Entfaltungsfreiraum gegeben. Egal wer vor mir steht, so sind Gespräche auf Augenhöhe mir heute noch wichtiger als damals.
Mein Bournout habe ich als große Chance für einen Richtungswechsel erkannt. Ja, es braucht viel Achtsamkeit und Mut, den Mund zur richtigen Zeit aufzumachen und sich selbst treu zu sein. Regelmäßiges Aufräumen in der Seele tut gut und vor allem ehrlich zu sich selbst sein. Vom Problemsucher zum Lösungsfinder, zivilcouragiert und naturnah sein - das hat mich das Leben gelehrt. Weg vom Microplastik in der Kosmetik und Plastikmüllgegenständen aus China von Kinderarbeit.
Wir nehmen viel aus dem Elternhaus mit, erwachsen werden wir doch nur durch uns allein. Hinsehen und nicht wegsehen – aufstehen, Krone richten und weitergehen! Dankeschön!

Süd-Ost Journal

"Für die Menschen, für die Region"